Ein digitaler Zwilling ist ein virtuelles Abbild eines physischen Geräts oder Systems. Er abbildet Zustand, Geometrie und Betriebsparameter. Echtzeitdaten ermöglichen eine ständige Synchronisation.
Durch bidirektionale Schnittstellen kann der Zwilling nicht nur beobachtet, sondern auch auf die reale Anlage eingewirkt werden. Dies ermöglicht Modelle für Simulation und virtuelle Inbetriebnahme sowie direkte Eingriffe in die Anlagensteuerung.
Der Einsatz erfolgt in Fertigung, Fahrzeugtechnik, Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik sowie Energieversorgung. In Industrie 4.0-Umgebungen dienen digitale Zwillinge der Prozessoptimierung und der Reduktion physischer Prototypen.
Ursprung und Beschleuniger dieser Entwicklung sind IoT, Big Data und Künstliche Intelligenz. Nur ein kleiner Anteil der Unternehmen hat bislang experimentiert; daher besteht ein hohes Wachstumspotenzial im Markt.
Wenn digitale Zwillinge implementiert werden sollen, sind klare Datenmodelle, sichere Architekturen und abgestimmte Organisationsprozesse erforderlich. Technologien wie FMI, FMU und Plattformen wie Eclipse BaSyx sind auf ihre Eignung zu prüfen.
Digitale Zwillinge: Grundlagen, Definition und Technologien
Digitale Zwillinge werden hier genau definiert und von ähnlichen Konzepten unterschieden. Ein Digitaler Schatten spiegelt den Zustand eines physischen Objekts wider. Im Gegensatz dazu ermöglichen digitale Zwillinge bidirektionale Steuerung, Vorhersagen und Simulationen. Es werden Anforderungen an Datenmodelle, Metadaten und Schnittstellen für die Interoperabilität genannt.
Ein Digitaler Schatten enthält historische und aktuelle Daten aus Sensoren und IoT-Systemen. Er abbildet Messwerte, ohne dass er Steuerbefehle sendet. Ein Digitaler Zwilling geht darüber hinaus. Er kombiniert Datenmodelle mit KI– und ML-Algorithmen, was virtuelle Tests und Rückkopplungen in die Anlage ermöglicht.
Technologische Basis
Sensorik liefert wichtige Messwerte wie Temperatur, Druck und Vibration. IoT–Architekturen transportieren diese Daten in Edge- und Cloud-Systeme. Für Analyse und Vorhersage werden ML-Modelle genutzt. Durch Simulationsframeworks wie FMI und FMU werden Co-Simulationen und wiederverwendbare Modelleinheiten ermöglicht.
Datenarchitektur und Schnittstellen
Einheitliche Datenmodelle und Verwaltungsschalen strukturieren Metadaten und Messwerte. Für die Integration von ERP, MES und Feldbussystemen sind klare Schnittstellen erforderlich. Open-Source-Projekte wie Eclipse BaSyx bieten Middleware-Funktionen für Industrie-4.0-Datenräume und erleichtern die Integration heterogener Systeme.
| Aspekt | Funktion | Technologien / Standards |
|---|---|---|
| Datenerfassung | Erfassung von Sensorikdaten in Echtzeit | IoT-Gateways, Feldbusse, Edge-Collector |
| Datenmodelle | Semantische Strukturierung und Metadaten | Verwaltungsschalen, Teilmodelle, JSON-LD |
| Datenverarbeitung | Streaming, Speicherung, Big-Data-Pipelines | Time-series DB, Kafka, Edge-Analytics |
| Analyse und Vorhersage | Mustererkennung und Anomaliedetektion | KI, ML-Modelle, Python-Tooling |
| Simulation & Integration | Virtuelle Tests und Co-Simulation | FMI, FMU, Simulationskopplungen |
| Schnittstellen & Interop | Systemübergreifende Kopplung und Steuerung | APIs, OPC UA, Eclipse BaSyx |
Vorteile für Fertigung und Industrie 4.0
Digitale Zwillinge bieten messbare Vorteile für die Fertigung und Industrie 4.0. Durch Kombination von CAD-Modellen und Echtzeitdaten können Tests früh durchgeführt werden. Dies verkürzt die Zeit bis zum Markteinführung und senkt die Testkosten.
Durch Simulationen werden Prototypen seltener benötigt. Entwicklungszyklen werden verkürzt und das Risiko bei Änderungen verringert.
Es gibt verschiedene Anwendungsfelder, die von Prozessoptimierung bis Predictive Maintenance reichen. Diese werden schrittweise umgesetzt, um Optimierungsbetrieb und Qualitätskontrolle systematisch zu integrieren.
Prozessoptimierung und Produktionsflexibilität
Virtuelle Inbetriebnahme ermöglicht Tests von SPS-Programmen vor der realen Anlage. Rüstzeiten sinken erheblich. Kleine Losgrößen lassen sich wirtschaftlich fertigen.
Simulationen zeigen Engpässe und ermöglichen Anpassungen an den Produktmix.
Im Optimierungsbetrieb werden Plandaten durch reale Betriebsdaten ersetzt. Daten aus dem IoT stützen Entscheidungen für die Fertigung. Anpassungen erfolgen ohne lange Stillstände.
Predictive Maintenance und Qualitätssteigerung
Echtzeitüberwachung kombiniert Sensordaten mit Anomalieerkennung. Vorhersagen zu Ausfällen werden möglich. Ungeplante Stillstände verringern sich.
Predictive Maintenance wird so zum operativen Standard.
Für die Qualitätskontrolle unterstützen digitale Zwillinge Ursachenanalysen. Simulation und reale Messdaten erlauben gezielte Gegenmaßnahmen bei Abweichungen. Prüfaufwand sinkt, Fehlerquoten werden reduziert.
Time-to-Market und Kosteneinsparungen
Virtuelle Tests beschleunigen die Entwicklung. Time-to-Market verkürzt sich, da Prototypen in vielen Fällen entfallen. Testkosten gehen zurück, besonders in Branchen wie Fahrzeugbau und Luftfahrt.
CI/CD-Praktiken für embedded Systeme sichern Software-Änderungen ab. Die kombinierte Wirkung aus kürzeren Entwicklungszyklen und geringeren Inbetriebnahmeaufwänden führt zu messbaren Einsparungen.
| Nutzen | Konkreter Effekt | Technische Grundlage |
|---|---|---|
| Prozessoptimierung | Höhere Auslastung, weniger Stillstand | Simulation, Optimierungsbetrieb, IoT-Daten |
| Produktionsflexibilität | Kostengünstige Fertigung kleiner Losgrößen | Virtuelle Inbetriebnahme, adaptive Steuerung |
| Predictive Maintenance | Reduzierte ungeplante Ausfälle | Echtzeitüberwachung, Anomalieerkennung |
| Qualitätskontrolle | Schnellere Ursachenanalyse, geringere Fehlerquoten | Simulation, kombinierte Datenanalyse |
| Time-to-Market | Schnellere Markteinführung, geringere Testkosten | Virtuelle Tests, weniger Prototypen |
| Entwicklungseffizienz | Kürzere Zykluszeiten, stabilere Releases | CI/CD, virtuelle Prüfstände, Simulation |
Simulation, Emulation und Testumgebungen
Die Validierung von Steuerungs- und Produktionssoftware wird durch Simulation in der Entwicklungsphase verbessert. Virtuelle Prüfstände ermöglichen realistische Tests. Sie decken Software- und Hardware-Abläufe ab, von Modelltests bis zu ganzen Plattformmodellen.
In der Entwicklungsphase helfen Simulationen, Fehler zu finden und Architekturentscheidungen zu bewerten. SiL-Prüfstände testen Algorithmen ohne Hardware. HiL-Umgebungen simulieren Elektronik und erkennen Reaktionen von Sensoren und Aktoren. So werden Timing-Verhalten und Fehlermodelle frühzeitig sichtbar.
Rolle der Simulation in Entwicklungs- und Betriebsphasen
Im Betrieb werden Simulationen zur Bewertung von Laufzeitänderungen und zur Prognose von Systemzuständen eingesetzt. Co-Simulation verbindet Domänenmodelle und ermöglicht die Prüfung von Schnittstellen zu ERP– und MES-Systemen. Virtual Deployment auf Zielplattformen validiert Antwortzeiten und Robustheit gegenüber Ausfällen.
High-Level- und Low-Level-Emulation
High-Level-Emulation bildet Geschäftslogik und Prozessketten ab. Integration von ERP– und MES-Funktionen erlaubt Tests von Produktionssteuerung ohne reale Anlage. Low-Level-Emulation reproduziert elektrische Signale, Sensoren– und Aktorsignale. Diese Emulation minimiert Risiken bei Änderungen der Steuerungslogik.
Co-Simulation und Integrationswerkzeuge
Co-Simulation über FMU-Kopplungen nach FMI-Standard ermöglicht plattformübergreifende Wiederverwendung von Modellen. FMU und FMI erleichtern die Kopplung heterogener Simulationswerkzeuge. Integrationswerkzeuge automatisieren Testläufe und fügen Plattformmodelle in CI/CD-Pipelines ein.
| Aspekt | Vorteil | Typische Werkzeuge |
|---|---|---|
| SiL | Schnelle Softwarevalidierung, geringe Kosten | Toolchains mit FMU-Unterstützung, Simulationsframeworks |
| HiL | Realistische Hardware-Reaktion, Prüfstandnähe | Realtime-Hardware, I/O-Emulatoren für Sensoren und Aktoren |
| High-Level-Emulation | Prozesslogikprüfung, ERP-/MES-Integration | API-Simulatoren, Middleware, virtuelle Prüfstände |
| Low-Level-Emulation | Signalvalidierung, Sicherheitsprüfung | Signalgeneratoren, Bus-Emulatoren, Timing-Modelle |
| Co-Simulation | Multidomänen-Abbildung, Wiederverwendbarkeit | FMI-kompatible Werkzeuge, FMU-Coupler, Integrationswerkzeuge |
| Plattformmodelle & Fehlermodelle | Erhöhte Realitätsnähe, robustere Tests | Model-Based-Design Tools, Fehlersimulationsmodule |
Architekturen, Datenmodelle und sichere Anlagensteuerung
Architekturen für industrielle digitale Zwillinge müssen modular und belastbar sein. Dienstbasierte Architekturen mit Microservices bieten die nötige Skalierbarkeit. Sie sind ideal, wenn Kommunikation und Speicherung heterogener Daten gefordert sind. Die Wahl zwischen Ethernet für große Datenmengen und Echtzeitbussen für deterministische Signale hängt vom Projekt ab.
Klare Abstraktionsschichten reduzieren Komplexität und erleichtern Integration. Dienste sollten lose gekoppelt sein, um Erweiterungen ohne Stillstand zu ermöglichen. Schnittstellen müssen standardisiert dokumentiert werden, damit Interpretierbarkeit und Wiederverwendbarkeit der Komponenten gesichert sind.
Datenmodelle und Verwaltungsschalen
Verwaltungsschalen strukturieren Metadaten und Teilmodelle. Durch eindeutige Metadaten werden Messwerte korrekt interpretiert und Kennlinien berücksichtigt. Datenmodelle sollten persistent und interpretierbar entworfen werden, damit ERP-, MES- und Fertigungssysteme zuverlässig gekoppelt werden können.
Eclipse BaSyx bietet als Open-Source-Plattform Werkzeuge für Industrie-4.0-Datenräume und standardisierte Datenbereitstellung. Die Nutzung von BaSyx erleichtert die Verwaltung von Verwaltungsschalen und die Implementierung interoperabler Datenmodelle.
Sicherheitskonzepte und vertrauenswürdige Kopplung
Laufzeitbasierte Sicherheitsmodelle sind in vernetzten Umgebungen verpflichtend. Verschlüsselung und rollenbasierter Zugriff reduzieren Angriffsflächen. Digitale Identitäten müssen für Kopplungsentscheidungen und Zugriffskontrolle verwendet werden, damit Vertrauensbeziehungen zuverlässig überprüft werden können.
Compliance mit DSGVO sowie branchenspezifischen Regularien wird durch Dokumentation und Auditierbarkeit der Speicherung und Zugriffe unterstützt. Cybersecurity-Maßnahmen sollten früh im Architekturentwurf verankert sein, damit Betriebssicherheit und Datenschutz dauerhaft gewährleistet bleiben.
Herausforderungen, Implementierung und organisatorische Folgen
Die Einführung digitaler Zwillinge erfordert technische Anpassungen und organisatorische Abstimmung. Der Integrationsaufwand entsteht durch heterogene Protokolle und fehlende Kennlinien. Es ist wichtig, Abstraktionsschichten und Mapping-Strategien zu planen. Retrofit-Maßnahmen an bestehenden Anlagen erhöhen den Aufwand und beeinflussen die Anfangsinvestitionen.
Die Güte eines Zwillings hängt von der Datenintegrität und der Sensorqualität ab. Unzuverlässige Messwerte führen zu fehlerhaften Modellen und falschen Vorhersagen. Es ist notwendig, klare Vorgaben für Kalibrierung, Datenvalidierung und Versionierung zu etablieren. Protokolle zur Übertragung müssen robust gegen Paketverluste und Manipulation sein.
Organisatorisch sind Fachpersonal und klare Rollen erforderlich. Es ist entscheidend, zu entscheiden, ob Experten eingestellt oder bestehende Mitarbeiter durch Weiterbildung qualifiziert werden. Änderungsmanagement muss CI/CD-Prozesse und Governance enthalten. Nur so lassen sich Zwillinge dauerhaft betreiben und weiterentwickeln.
Wirtschaftliche Planung muss Anfangsinvestitionen, laufende Kosten und erwartete Einsparungen gegenüberstellen. Retrofit-Projekte in der Automotive– oder Medizintechnik bringen spezielle Anforderungen mit. Regulatorische Anforderungen sind frühzeitig zu prüfen, damit Validität und Nachvollziehbarkeit von Modellen gewährleistet werden.
Cybersecurity ist integraler Bestandteil jeder Implementierung. Vernetzte Zwillinge vergrößern Angriffsflächen. Maßnahmen wie Verschlüsselung, sichere Authentifizierung und Monitoring sind verpflichtend. Datenschutz und DSGVO müssen bei Design und Betrieb berücksichtigt werden.
Die Abstimmung zwischen IT, OT und Compliance ist entscheidend. Prozesse zur Fehlerbehandlung, Eskalation und Audit-Trails sind zu schaffen. Nur so lassen sich regulatorische Anforderungen erfüllen und langfristige Betriebssicherheit sicherstellen.
| Herausforderung | Konkrete Maßnahmen | Auswirkung |
|---|---|---|
| Integrationsaufwand | Abstraktionsschichten, Protokoll-Adapter, Mapping von Kennlinien | Reduzierte Schnittstellenkomplexität, moderate Anfangsinvestitionen |
| Datenintegrität & Sensorqualität | Kalibrierung, Validierung, redundante Sensorik | Verbesserte Modellgüte, geringeres Fehlerrisiko |
| Fachpersonal & Weiterbildung | Schulungen, gezielte Rekrutierung, Cross-Functional-Teams | Höhere Personalkosten kurzfristig, nachhaltige Kompetenzentwicklung |
| Änderungsmanagement | CI/CD, Governance, Rollen und Verantwortlichkeiten | Stabilisierter Betrieb, schnelle Feature-Updates |
| Retrofit bestehender Anlagen | Bestandsanalyse, Schnittstellenadapter, Zeitplan | Erhöhter Aufwand bei älteren Systemen, verlängerte Amortisationszeit |
| Datenschutz & Cybersecurity | Verschlüsselung, Authentifizierung, Monitoring, DSGVO-konforme Prozesse | Reduziertes Sicherheitsrisiko, erhöhte Compliance-Kosten |
| Regulatorische Anforderungen | Dokumentation, Validierung, Zulassungsnachweise für Medizintechnik/Automotive | Verzögerte Markteinführung bei Nichteinhaltung, rechtliche Risiken |
Fazit
Digitale Zwillinge kombinieren Simulation, Echtzeitdaten und datengetriebene Modelle. Sie verbessern Fertigung, Anlagensteuerung und Prozessoptimierung in der Industrie 4.0. Die Effekte sind messbar in Time-to-Market, Wartungskosten und Produktqualität.
Erfolg hängt von klaren Datenmodellen und standardisierten Schnittstellen ab. Technologien wie FMI/FMU oder Eclipse BaSyx sind nützlich. Robuste Sicherheits- und Compliance-Konzepte sind für die Nutzung von Simulation und Live-Betrieb unerlässlich.
Die Einführung sollte schrittweise erfolgen. Pilotprojekte und Validierung mit SiL/HiL sind wichtig. Die Migration vom Plandaten- zum Echtbetrieb sollte schrittweise erfolgen. Schulung der Belegschaft und etablierte Governance sichern die nachhaltige Verankerung im Unternehmen. So wird langfristig Prozessoptimierung und sichere Anlagensteuerung erreicht.






